Eine Menge gelernt
- Lysann
- 28. Juni 2017
- 3 Min. Lesezeit
Ihr Lieben,
Ich war für 3 Monate jede Woche, in der Geriatrie und Reha.
Im Rahmen meines studienbegleitendes Praktikum, führte ich wöchentlich Biographiestunden mit den Patienten (ab einem Alter von Ü60) durch. Aber nicht allein, wir waren zu zweit. Saskia, meine Teampartnerin ist schon im 4 Semester, wobei ich im 2 Semester bin.
Ich hatte zuvor noch nie etwas mit Senioren zu tun...na klar, habe ich Großeltern, aber ich arbeite mit ihnen ja nicht, sondern lass mich meistens von ihnen verwöhnen. ;)
Ich hatte überhaupt keinen Plan, wie ich mit den Senioren umgehen sollte.
Ich war letztes Jahr in einer Kinder und Jugendeinrichtung. Die Kinder waren laut, stellten viele Fragen und waren immer in Bewegung.
Dagegen sind Senioren gediegen, langsam und aufmerksam. Diese Zielgruppe ist etwas gaaaanz anderes und dennoch lernte ich sie lieben!

Du wirst dich sicherlich fragen, was diese Biographiearbeit ist?!
Viele Menschen verspüren im Alter ein Bedürfnis, dem verflossenen Leben einen Sinn zu geben. Das Erinnern dient hiebei der Versicherung eigener Identität und des eigenen Wertes. Wenn der Mensch sich mit seinem eigenen Leben aussöhnt, kann er Frieden schließen und in Frieden gehen.
Die Biographiestunde in der Gruppe, unterstützt die Teilnehmer Gemeinsamkeiten mit Anderen zu entdecken, dies kann das Vertrauen in die eigenen Erinnerungen stärken! Außerdem hat jeder Teilnehmer die Zeit und den Raum sich zu äußern und über sein Leben zu sprechen. Durch das Erzählen kann der Teilnehmer aus lieb gewonnen Erinnerungen Kraft tanken und eventuell erkennen, dass er ein wunderbares Leben hatte.
Wieso habe ich mir diese Arbeit ausgesucht?
Ich wollte einen neuen Bereich und eine neue Zielgruppe Kennenlernen.
Ich möchte alle Bereiche sehen, um mich später im Berufsleben festlegen zu können.
Ich möchte ganz viele Erfahrungen sammeln und lernen, wie ich mit den unterschiedlichsten Menschen umgehen muss.
Außerdem reizte es mich, im Team und mit einer Gruppe zu arbeiten.
und ich liebe es mich auszuprobieren !
Apropos ausprobieren...
Meine erste Biographiestunde war der reinste Horror!!!
Ich dachte mir: LERNING BY DOING
Wir suchten uns das Thema April-April aus.
Ein unverbindliches Thema- was im Grunde nichts mit Tod und Krieg zu tun hat, oder?
Jaaa wir erzählten gerade noch über Aprilscherze, bis eine der Teilnehmerinnen von ihrem Dackel sprach, der gestorben ist.
Sie erzählte das so emotional, dass ich fast angefangen habe zu weinen. Dann warf eine andere Teilnehmerin mit ein,
dass die Tiere uns voraus sind. Sie meinte, weil Tiere eingeschläfert werden dürfen. Wir kamen von dem Tod des Dackels, zur Todesspritze.
Wir schafften die Kurve, bis eine der Teilnehmerinnen von ihren Treppensturz erzählte. Vom Treppensturz ging es über zum Fenstersturz von Prag.
Und ab da waren wir im Krieg...
So war meine erste Biographiestunde mit Senioren.
Ich war danach so geschockt und wusste echt nicht wie ich mit solchen Themen umgehen sollte.
Denn eine Biographiestunde sollte doch eine Versöhnung mit dem Leben sein? Die Stunde sollte Spaß machen und und und...
Meine Vorstellungen waren so enorm, dass ich bis dato noch nicht wusste, dass diese Themen genauso zum Leben gehören, wie "schöne" Erinnerungen.
Ich stellte mich jede Woche der Herausforderung, meiner Angst und Unsicherheit... von Woche zu Woche, wurde ich gelassener, ruhiger und sicherer.
Das Feedback meiner Anleiterin half mir dabei sehr! Sie sagte, dass sie beobachtet hatte, das es mir schwer fällt Pausen auszuhalten...
WAS SIND PAUSEN?
Ich war sooo ungeduldig, und musste mich richtig zusammenreißen, den Älteren nicht ins Wort zu fallen...
Die älteren Menschen brauchen mehr Zeit, um sich zu äußern! Sie überlegen genau was sie sagen...
Ich durfte lernen Pausen auszuhalten!
und Leute!!! seid ich Pausen aushalten kann, öffnen die Menschen sich viel schneller... Denn dadurch, das ich da bin, und ihnen zuhöre, haben sie Vertrauen und Sie sind bereit von sich zu erzählen!
Ich bin sehr viel ruhiger geworden...weil ich erkannt habe, dass ich nicht da bin, um Rat und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, sondern da bin, um zu sein! Jeder Mensch trägt schon alles in sich, was er braucht!
Jeder Mensch ist so individuell, so wie seine Lebensgeschichte!
Gestern war meine letzte Biografiesstunde!
Puhhhh und ich bin sehr traurig, dass es vorbei ist!
Ich habe die Senioren so schätzen gelernt! Ich konnte so viel von Ihnen lernen! Ich habe für mein Leben so viel mitnehmen können!
Es war eine unglaublich einprägsame, berührende, emotionale, spaßige und freudige Zeit!
Ich habe gelernt mir nichts zu entsagen, denn das Leben läuft schneller...als ich es plane!
Ich bin unglaublich dankbar, für diese Erinnerung!

Ich wünsche euch einen mutigen Mittwoch, traut euch Fehler zu machen, traut euch zu Leben, traut euch mutig zu sein, traut euch!
In Liebe
Lysann
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